Wie bunt sind deine Blätter
Eva-Maria Lopez

 

Das Sammeln von Weihnachtsmotiven hat bei mir schon eine lange Tradition. In Schanghai haben es mir die Reiseführer im Yu-Garten mit Zipfelmütze angetan. Die Weihnachtsbeleuchtung an der Straße in einem Ort in der Provence im hochsommerlichen August fand ich spannend. Und auch in manchen Fußgängerzonen hängt die Weihnachtsbeleuchtung das ganze Jahr über herum. Winterlich weiß besprühte Bäume gibt es schon länger. Die ersten bunten Weihnachtsbäume sind mir vor etwa 15 Jahren in Straßburg aufgefallen. Sie standen in einer Seitenstraße zum Verkauf, wie mit Zuckerguss gekrönt. Dann habe ich sie etwas später in Paris wiederentdeckt, in fast allen Farben von Schwarz bis Weiß, Grün ausgenommen. Bisher vermisse ich eigentlich nur noch Gold und Silber. Die Bäume sind nicht im Chinesen-Viertel zu finden, wie öfters vermutet wird, sondern vor allem in den vornehmeren Arrondissements, wie auch die Hintergründe meiner Fotos zeigen. Die Preise sind so exklusiv wie die Umgebung: Sie liegen zwischen 30 und 200 Euro. Kauft man sich die Bäume passend zum Interieur? Also pink, passend zur lilafarbenen Velour-Couch? Was macht man nur mit einem türkisfarbenen Exemplar? Und warum haben die beflockten Bäume oft korallenähnliche Form und Farben? Für den maritimen Touch? Ich weiß es nicht. Ich kenne auch niemanden, der sich die Bäume in den Salon stellt, aber es muss solche Leute geben, denn schließlich stehen die Bäume zum Verkauf. Manche Farben sind wirklich weihnachtlich. Das Rot ist traditionell festlich. Das Gelb jedoch erinnert mehr an Ostern. Zum Glück halten die Bäume dank feuerfester Beflockung ohne weiteres bis dahin. Das Nadeln entfällt. Die bunten Bäume gefallen mir besonders im Januar, wenn unterm roten Schaum das Grün der Nordmanntanne zum

Vorschein kommt. Draußen beginnt die Metamorphose. Der Regen wäscht die Farben ab, und langsam zeigt sich das wahre Ich des Baums. Dann könnte man singen: Du

grünst nicht nur zur Sommerzeit, nein, auch im Winter, wenn es regnet. Aber das reimt sich nicht, also lassen wir’s. Die Zuckergussbäume dürfen nicht, wie ihre grünen

Artgenossen, zum Schreddern in den nächsten Park gebracht werden. Man kauft einen Charity-Sack, einen „Sac à Sapin“, und steckt ihn hinein. Und da haben wir dann auch die fehlende Farbe: Die Beutel sind doch wirklich goldfarben.


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